Das Wichtigste in Kürze:
- Intuitives Essen basiert auf 10 Prinzipien, von denen die Ablehnung einer Diätmentalität, das Hören auf Hunger- und Sättigungssignale, der Genuss beim Essen und natürliche Alltagsbewegung besonders wichtig sind.
- Studien geben Hinweise, dass intuitives Essen keine ausgeprägten Körpergewichtseffekte hat, aber wahrscheinlich die psychische Gesundheit sowie den gesunden Umgang mit Nahrungsmitteln verbessert.
- Intuitives Essen ist ein sinnvolles Konzept, berücksichtigt allerdings nicht, dass hochverarbeitete Lebensmittel mit Aromen, Süßungsmitteln und Zucker suchtartiges Verlangen auslösen und wichtige unbewusste Lernprozesse des Körpers stören.
Was ist intuitives Essen?
Intuitives Essen ist ein Ernährungskonzept, welches nicht auf Diätregeln setzt, sondern auf dem Erkennen von Körpersignalen wie Hunger und Sättigung beruht. Ziel ist es, wieder Vertrauen in den eigenen Körper zu haben, um ein gesundes Verhältnis zu Nahrung und Essverhalten zu fördern. Dabei geht es darum, zu essen, wenn und worauf man Hunger hat und aufzuhören, wenn man satt ist. Intuitives Essen wurde von den Ernährungstherapeutinnen Evelyn Tribole und Elyse Resch entwickelt und bereits vor der Jahrtausendwende in ersten wissenschaftlichen Veröffentlichungen dargestellt.
Welche Empfehlungen werden konkret gegeben?
Intuitives Essen basiert auf 10 Prinzipien, die eine gesunde Beziehung zu Nahrung und Körperbild fördern sollen:
1. Lehne die Diätmentalität ab.
Herkömmliche Diäten sollen nicht durchgeführt werden, denn sie fördern langfristig weder Gesundheit noch ein stabiles Körpergewicht. Vielmehr schaden sie durch den JoJo-Effekt und einen krankhaften Umgang mit Nahrungsmitteln.
2. Höre auf das Hungergefühl.
Hunger signalisiert, dass der Körper Nahrung benötigt, um ausreichend mit Energie und Nährstoffen versorgt zu werden. Daher wird dem Hungergefühl umfassend vertraut und bei Auftreten des Gefühls gegessen.
3. Schließe Frieden mit dem Essen.
Der ewige Kreislauf aus Verzicht, Verlangen nach bestimmten Lebensmitteln, Essanfällen und Schuldgefühlen wird durchbrochen. Dies schließt die Erlaubnis ein, alle Arten von Lebensmitteln ohne Schuldgefühle oder Angst vor einer Gewichtszunahme zu essen.
4. Fordere die „Ernährungspolizei“ heraus.
Die innere kritische Stimme, die Schuldgefühle und strenge Essgewohnheiten hervorruft, wird kritisch hinterfragt. Insbesondere werden Gedanken über „gute“ und „schlechte“ Lebensmittel abgelehnt.
5. Spüre Sättigung.
Sättigung signalisiert, dass der Körper ausreichend mit Energie und Nährstoffen versorgt ist. Daher wird dem Sättigungsgefühl umfassend vertraut und die Nahrungsaufnahme bei Auftreten des Gefühls beendet.
6. Entdecke den Genuss beim Essen.
Essen ist mehr als Nahrungsaufnahme. Es beinhaltet auch Genuss und Freude, welche wiederentdeckt werden sollen.
7.Bewältige Emotionen ohne Essen.
Es werden Strategien entwickelt, um insbesondere negative Emotionen wie Stress, Langeweile und Traurigkeit zu bewältigen, ohne auf Essen als Trostspender zurückzugreifen.
8. Respektiere den eigenen Körper.
Der eigene Körper wird akzeptiert sowie mit Respekt und Würde behandelt unabhängig von seiner Form oder Größe. Der Fokus liegt nicht auf dem Aussehen, sondern auf seinen Fähigkeiten.
9. Wähle Bewegung, die Freude macht.
Bewegung ohne Spaß wird meist nicht langfristig durchgeführt. Daher werden gezielt Bewegungsformen gewählt, welche Freude machen und guttun. Das Ziel der Bewegung ist Wohlbefinden und nicht Kalorienverbrennung.
10. Wähle nährstoffreiche Lebensmittel.
Die Ernährung sollte den eigenen Geschmacksvorlieben entsprechen und nicht auf starren Regeln oder Vorgaben beruhen. Eine gesunde und abwechslungsreiche Ernährung sollte sich gut anfühlen.
Spielt das Erkennen von Körpersignalen nur beim intuitiven Essen eine wichtige Rolle?
Nein. Auch bei anderen Ernährungskonzepten ist das Erkennen von Körpersignalen von zentraler Bedeutung. Beim achtsamen Essen wird ebenfalls das bewusste Wahrnehmen und Genießen von Nahrungsmitteln betont. Es umfasst Achtsamkeitspraktiken wie langsames Essen und bewusstes Kauen sowie das bewusste Erleben von Hunger- und Sättigungsgefühlen. Es soll eine engere Verbindung zu den gegessenen Lebensmitteln hergestellt werden kombiniert mit dem vollständigen Erleben des gegenwärtigen Moments.
Beide Konzepte, intuitives und achtsames Essen, erhöhen somit das Bewusstsein für Hunger- und Sättigungssignale, verbessern die Selbstbeobachtung, vertrauen dem Körper und lehnen klassische Diäten ab. Ein Unterschied besteht darin, dass beim achtsamen Essen typischerweise meditative Übungen eine zentrale Rolle spielen.
Hilft intuitives Essen bei der Gewichtsabnahme?
Bisher gibt es nur wenige Studien zu den Effekten von intuitivem oder achtsamem Essen auf das Körpergewicht. Im Jahr 2019 wurde eine Meta-Analyse publiziert, welche 10 Interventionsstudien zusammenfasste. Über alle Studien hinweg nahmen die Teilnehmenden 350 g mehr ab beim intuitiven/achtsamen Essen verglichen zu Kontrollgruppen, bei denen keine Intervention erfolgte. Wurde intuitives/achtsames Essen dagegen verglichen mit anderen Diäten, hatte es eine vergleichbare Wirksamkeit. Die Analyse wies auf mehrere Probleme bei der Studienbeurteilung hin: So untersuchte nur eine Studie intuitives Essen während die anderen 9 Studien achtsames Essen charakterisierten. Auch waren alle Studien von kurzer Dauer: Nur eine Intervention lief über 1 Jahr während die restlichen Untersuchungen zwischen 6 Wochen und 6 Monaten dauerten. Zudem wurden nur relativ wenige Probanden untersucht und die Studie zum intuitiven Essen war mit einer Gesamtzahl von 16 Personen besonders klein.
Im Jahr 2024 wurde in einer Studie mit 1821 zufällig ausgewählten Menschen das Ausmaß des intuitiven Essens mittels eines Fragebogens untersucht. Frauen mit besonders starkem intuitiven Essen neigten eher zu gleichbleibendem Körpergewicht (±2 kg) und hatten eine geringere Wahrscheinlichkeit für eine Gewichtszunahme (>2 kg) während dieser Zusammenhang bei Männern nicht auftrat. Bei beiden Geschlechtern war intuitives Essen im Laufe der Zeit mit weniger häufigem Überessen sowie weniger krankhaftem Essverhalten verbunden. Allerdings hatte auch diese Studie verschiedene Nachteile: So handelte es sich um keine Intervention, sondern lediglich um eine Beobachtung von verschiedenen Essgewohnheiten. Zudem wurden alle Daten durch die Teilnehmer übermittelt und nicht unabhängig von einem Studienteam erfasst. Somit könnten auch andere Unterschiede zwischen Menschen mit mehr oder weniger intuitivem Essen (z.B. Alter, Geschlecht, Bildungsgrad, Einkommen) die Ergebnisse (mit)bedingen.
Gibt es weitere Studien zum intuitiven Essen?
Es gibt Hinweise, dass intuitives Essen die psychische Gesundheit sowie den gesunden Umgang mit Nahrungsmitteln verbessert.
Im Jahr 2024 wurde eine Studie veröffentlicht, in welcher 114 Probanden ein 3-monatiges, auf intuitivem Essen basierendes Programm durchliefen. Daten wurden zu Beginn sowie nach 3 und 6 Monaten erhoben. Die Intervention verhalf den Probanden zu einem intuitiveren Essverhalten. Damit einhergehend kam es zu einer Verringerung von Essstörungssymptomen, das sind Verhaltensweisen oder Denkmuster im Zusammenhang mit Essen, Körpergewicht und Körperbild, die zu gesundheitlichen Problemen führen können. Zudem verringerte sich die internalisierte Gewichtsstigmatisierung, also negative Überzeugungen und Selbsturteile über das eigene Gewicht und Aussehen, die von gesellschaftlichen Normen und Vorurteilen beeinflusst sind und zu psychischem Stress und schlechtem Selbstwertgefühl führen. Sechs Monate nach Beginn der Intervention war zudem ein signifikanter Rückgang des Konsums von zugesetztem Zucker, Fast Food und zuckerhaltigen Getränken nachweisbar. Gewichtseffekte der Intervention wurden jedoch nicht beschrieben.
Was sagt Neatic zum intuitiven Essen?
Neatic unterstützt nachdrücklich viele beim intuitiven Essen praktizierte Vorgehensweisen.
So sind die Ablehnung einer Diätmentalität, das Hören auf Hunger- und Sättigungssignale, der Genuss beim Essen und natürliche Alltagsbewegung ebenfalls wichtige Bestandteile von Neatic.
Allerdings ist es in einer Welt mit massenhaft hochverarbeiteten Lebensmitteln sowie Dickmacher-Zutaten wie Aromen, Süßungsmitteln und Zucker extrem schwierig, intuitiv zu essen. Denn diese Lebensmittel fördern ein suchtartiges Verlangen und stören wichtige unbewusste Lernprozesse des Körpers.
Intuitives Essen kann daher langfristig nur gelingen, wenn zunächst die Neatic-Grundsätze berücksichtig werden und dadurch Lebensmittel mit Aromen und Süßungsmitteln vermieden sowie besonders zuckerreiche Lebensmittel begrenzt werden. Weitere Informationen zum Neatic-Programm findest Du hier.
Literaturverzeichnis
Fuentes Artiles, Ruben; Staub, Kaspar; Aldakak, Lafi et al. (2019): Mindful eating and common diet programs lower body weight similarly: Systematic review and meta-analysis. In: Obesity reviews : an official journal of the International Association for the Study of Obesity 20 (11), S. 1619–1627. DOI: 10.1111/obr.12918.
Gast, J.; Hawks, S. R. (1998): Weight loss education: the challenge of a new paradigm. In: Health education & behavior : the official publication of the Society for Public Health Education 25 (4), S. 464–473. DOI: 10.1177/109019819802500405.
Giacone, Luana; Sob, Cynthia; Siegrist, Michael et al. (2024): Intuitive eating and its influence on self-reported weight and eating behaviors. In: Eating behaviors 52, S. 101844. DOI: 10.1016/j.eatbeh.2024.101844.
Resch, Elyse; Tribole, Evelyn (2024): Intuitiv essen. Schluss mit dem Diätwahn: Genuss ohne schlechtes Gewissen – Überarbeitete Neuausgabe. Neuausgabe. München: Goldmann.
Schmid, Jane; Linxwiler, Ashley; Owen, Erica et al. (2024): Weight-inclusive, intuitive eating-based workplace wellness program associated with improvements in intuitive eating, eating disorder symptoms, internalized weight stigma, and diet quality. In: Eating behaviors 52, S. 101840. DOI: 10.1016/j.eatbeh.2023.101840.